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Googles Ankündigungen und die Folgen – Ist das alles meine Schuld? – ADZINE
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Uli Hegge, Infosum / Bild: Raimar von Wienskowski
Ausgelöst durch die Ankündigungen Googles letzte Woche habe ich mir Gedanken dazu gemacht, was eigentlich in den vergangenen 20 Jahren so passiert ist – und was offensichtlich so schiefgelaufen ist, dass neue Ansätze zwingend notwendig geworden sind. Ein Kommentar.
Back to the future: Wie Programmatic Advertising den digitalen Werbemarkt veränderte
Zuerst eine kleine Geschichtsstunde, aber vertraut mir, dieser Kontext spielt eine Rolle in dem, was gerade passiert, und was noch passieren muss. Die der aktuellen Situation zugrunde liegenden Marktmechanismen haben sich nicht geändert.
Eigentlich hat gegen Ende der Neunziger alles ganz harmlos begonnen: Dieses Web ist ja „interaktiv“, also erlaubt es direkte Reaktionen auf Input. Entsprechend kann man doch in Echtzeit passende Inhalte, interessante Produkte und relevante Werbung basierend auf dem Nutzerverhalten anbieten? Das war unsere Gründungsidee für 7d (ab 2006 als Wunderloop).
Und dann dauerte es bis etwa Mitte der 2000er, bis fast zeitgleich zwei Dinge passierten. „Behavioral Targeting“ begann sich zu etablieren, und „Real Time Bidding“ wurde erfunden. Durch die Ergänzung der kontextuellen Werbeplatzierung (Finanzdienstleister wirbt auf Finanzartikeln) mit interessenbasierter Ausspielung (Finanzdienstleister wirbt überall dort, wo sich Finanz-Interessierte finden) spielten Nutzer- und nicht nur nutzungsbezogene Daten eine zunehmende Rolle.
Die Versteigerung von Werbeplätzen in Echtzeit brauchte Daten, um Entscheidungen über Gebote treffen zu können. Zusammen ergab das den Perfect Storm des digitalen Marketings und wurde zu dem, was wir heute unter „Programmatic Advertising“ kennen.
Das ist ein wirtschaftliches Erfolgsmodell, keine Frage. Der OVK hat für 2020 geschätzt, das etwa 67 Prozent (2,63 Mrd. Euro) der digitalen Werbung in Deutschland über programmatische Buchungen lief. Dieses Geschäftsmodell zwingt aber zu einem bestimmten Vorgehen. Es gewinnt derjenige, der die besten, d.h. aktuellsten und präzisesten und oft auch meisten Daten hat. Das sind alle Anbieter mit Endkunden-Angeboten, die ein Login erfordern und umfangreiche Berechtigungen einfordern, und die möglichst viele ständig aktualisierte Informationen generieren: Die großen Profiteure des Perfect Storms waren und sind offensichtlich die Walled Gardens. Um mit diesen konkurrieren zu können, wurden immer aggressivere Methoden erfunden, die Daten zu Nutzern vor allem auch dort generierten und verfügbar machten, wo eben beispielsweise kein Login zur Nutzung erforderlich war.
Marktposition und Regulierungsdruck
Und damit ist der Sprung zur aktuellen Situation einfach. Durch dieses von Nutzern, durchaus auch zurecht, als undurchschaubare Überwachung empfundene System war es nur eine Frage der Zeit, bis die Politik einschreiten würde. Auch wenn die DSGVO lange Zeit brauchte, um Realität zu werden und die E-Privacy-Verordnung immer noch sehr kontrovers diskutiert wird – die Themen Datenkontrolle und -transparenz werden in der politischen Bedeutung weiter zunehmen.
Laut einer vom Wall Street Journal letzte Woche zitierten Studie werden derzeit in digitalen Kanälen jährlich 292 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Der Anteil von Google daran wird auf 52 Prozent geschätzt. Außerhalb der Google-eigenen Dienste ist Google an etwa 40 Prozent der restlichen 48 Prozent der digitalen Werbe-Transaktionen beteiligt.
Mit anderen Worten: Google steht weltweit derartig im Fokus, dass sie reagieren mussten.
Was Google angekündigt hat – und was nicht
Ein paar Punkte sind seit dem 3. März klarer geworden:
Eine übergreifende nutzerspezifische Identifizierung und Verfolgung quer durch die digitalen Angebote ist nicht vereinbar mit dem Recht von Nutzern auf Datenschutz und Anonymität.
Ihre Lösung ist eine Browser-basierte “Sandbox”, die bestimmte Funktionen über eine Anbindung per APIs erlaubt und über unter ihrer Kontrolle befindliche Algorithmen eine Adressierung von Nutzern nach Interessen-Kohorten erlaubt.
Google wird keine alternative Lösung zur übergreifenden Identifikation von Nutzern anbieten und sie werden andere Lösungen weder unterstützen noch sonst kompatibel machen.
Die direkte Beziehung zwischen Advertiser/Marke und Nutzer (technisch = First-Party-Daten) ist der zukünftig (einzig?) legitime Weg.
Gleichzeitig bleiben wesentliche Fragen offen:
Es bleibt unklar, ob auch die Unterstützung von direkten Beziehungen zwischen Publisher und Nutzer gemeint ist.
Ebenfalls unklar bleibt, ob Google weiterhin selbst alle Daten ihrer eigenen Angebote (insbesondere Youtube) direkt nutzen wird und nicht oder nicht nur die interessensbasierten Kohorten der Chrome-Sandbox.
Wie die Optimierung der Algorithmen erfolgt, d.h. welche Daten wie dafür eingesetzt werden, wird nicht offengelegt.
Und die Implementierung ist auf Chrome, eventuell das Chromium-Framework, beschränkt – was passiert außerhalb von Chrome, außerhalb des Webs? Mobile Apps können ja nun wirklich nicht ignoriert werden und Apple beginnt in Kürze damit, ihr Verständnis von Datenschutz technisch in iOS abzubilden.
Die Ansage an sich war keine „Riesen-Überraschung“, um das noch einmal klar zu sagen. Alle aufmerksamen Beobachter dieser Industrie wussten, dass nach den ersten Ankündigungen im Chromium-Blog im Januar 2020 weitere Konkretisierungen kommen würden, kommen mussten.
Die Antwort auf die „Google-Challenge“: Kooperationen – aber richtig
Aber wo stehen wir jetzt, wenn wir uns die Interessen der verschiedenen Beteiligten ansehen? Können die Nutzer besser und umfassend verstehen, was wo mit ihren Daten quer durch das Internet passiert, und können sie diese besser kontrollieren? Haben Advertiser wieder die strategische Hoheit und tatsächliche Kontrolle über ihre Daten und die ihrer Kunden? Haben Publisher die Chance, wiederum den Kontakt zu ihren Nutzern und ihr Inventar besser und unabhängiger zur Verfügung zu stellen?
“Sowohl als auch”, ist meine aktuelle und unbefriedigende Antwort. Aus Sicht der Nutzer, und damit vermutlich auch der Politik, werden durch die Verhinderung/Minimierung von Cross-Site Tracking individueller Nutzer wesentliche Schritte gemacht.
Advertiser und Publisher zwingt Googles derzeitige vermutlich bewusste Intransparenz bei entscheidenden Fragen (s.o.) zum Handeln, um ihre Positionen zukünftig entscheidend zu verbessern. Qualität und Reichweite mit datenschutzrechtlich sicheren Daten braucht der offene Markt, um konkurrenzfähig zu sein. Außerhalb der mehr oder weniger geschlossenen Systeme wird das nur durch Kooperationen möglich sein, durch den Aufbau eigener Netzwerke.
An dieser Stelle werden alle (zumindest in meinem Alter…) genervt die Augen verdrehen: Wie viele Allianzen sind bisher gescheitert? Und wie viele haben aktuell Schwierigkeiten, ihre Potenziale tatsächlich zu nutzen?
Wenn alle Netzwerk-Teilnehmer Co-Controller (im Sinne der DSGVO) werden, und die jeweiligen Daten an mindestens einer Stelle zentral vorgehalten und verarbeitet werden müssen: Ja, in der Tat, good luck with that. Strategisch, rechtlich und technisch sehr herausfordernd, mit unklarem Ergebnis bei hohen Investitionen.
Dezentralisierte Technologie als Gegengewicht zu zentralistischen Systemen schafft Marktvertrauen
Als ich im Herbst letzten Jahres in eine operative Rolle zurückgekehrt bin, haben mich nicht wenige gefragt, warum ich mir das noch einmal antue. Meine Antwort damals und heute: Wir, und ich mit euch, können ein besseres Modell für (fast…) alle Beteiligten realisieren. Mehr Transparenz, mehr Datenschutz, bei gleichzeitig besserer Leistung und entsprechend mehr Geld für das „freie“ Netz. Das glaube ich wirklich, und da habe ich gefühlt noch eine Rechnung offen (siehe Titel…).
Zurück zu den angesprochenen Partnerschaften, ohne die es keine Chance im Wettbewerb gegen die Walled Gardens geben wird. Netzwerke, die Advertiser mit Medien und Marketing-Partnern aufbauen, und Netzwerke, in denen Publisher Reichweite und Qualität ausbauen.
Die wesentliche Rolle wird Vertrauen spielen. Ein Vertrauen, das bei jedem zentralistischen Ansatz sehr mühsam oder gar nicht aufgebaut werden kann. Wer kontrolliert was, und wer profitiert am meisten? Das Fehlen von gegenseitigem Vertrauen bei den Antworten auf diese Fragen war bei den meisten gescheiterten Versuchen ein wesentlicher Faktor.
Wenn „zentral“ nicht funktioniert, ist „dezentral“ die technische Antwort für einfach zu realisierende Kollaborationen. Kein übergreifendes Tracking und keine Übertragung von Identifiern, damit kein Data Leakage. Ausschließliche Verwendung von First-Party-Daten, die auch nach den von Google angekündigten Veränderungen voll nutzbar bleiben – und nie aus der Kontrolle der Advertiser und Publisher gegeben werden müssen, und die damit den Schutz ihrer Kunden und Nutzer sicherstellen. Und, ebenso wichtig, dies unabhängig von Gerät, Kanal und Werbeformaten.
„Wird schon alles, irgendwie weiter so“ ist endgültig vorbei
Meine Einschätzung der Entwicklung und meine Entscheidung vom letzten Herbst hat sich gleich doppelt bestätigt, denke ich: Googles Richtung zwingt alle in unserer Branche dazu, sich nicht wie bisher irgendwie durchzumogeln, sondern sich neu aufzustellen. Und es ist höchste Zeit, nicht auf den nächsten Move anderer zu warten und zu reagieren, sondern sich so aufzustellen, dass nicht Dritte über das eigene geschäftliche Schicksal entscheiden. Let’s get moving!
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