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Welche KPIs bei der Media-Optimierung wirklich wichtig sind – ADZINE
ADZINE: Hallo Markus, was sind die größten Baustellen bei der Ausspielung von digitalen Kampagnen?
Markus Forster: Im Wesentlichen sind das zurzeit zwei: Betrug und Kennzahlen-Mythen.
Der Betrug, auch Ad Fraud genannt, kann etwa in Form von Bot-Traffic auftreten. Dabei sehen nur Maschinen statt Menschen eine Werbeanzeige, die natürlich trotzdem abgerechnet wird. Außerdem gibt es sogenannte Zero Ads, bei denen massenhaft Anzeigen übereinander gelegt werden, und Domain-Spoofing, bei dem Advertiser auf Fake-Seiten werben, obwohl Premium-URLs gelistet sind. Manchmal kommt noch nicht einmal organischer Traffic darauf.
ADZINE: Wie groß ist der Schaden, den Bot-Traffic anrichtet?
Forster: Das lässt sich leider nicht eindeutig feststellen, aber aktuellen Analysen zufolge gingen im ersten Halbjahr 2020 allein im Mobile-Bereich weltweit 1,6 Milliarden US-Dollar auf das Konto von Betrügern. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich deutlich höher.
ADZINE: Was meinst du mit Kennzahlen-Mythen?
Forster: Damit meine ich die reine Fokussierung auf quantitative Kennzahlen wie Sessions, Pageviews, Klicks und Conversions. Diese sind einerseits anfällig für Fraud. Andererseits ist die Vergleichbarkeit nicht gegeben, da die einzelnen Anbieter auf dem Werbemarkt jeweils unterschiedlichen Definitionen folgen. Aber auch abgesehen von diesen zwei Punkten, haben die Kennzahlen im Grunde genommen keine Aussagekraft.
ADZINE: Warum nicht? Kannst du ein Beispiel dafür geben?
Forster: Gerne. Wenn ein Marketer bei einer Display-Kampagne den Fokus auf die Klickrate legt, landen die Budgets bei den klickstarken Publishern. Interessant wird es allerdings erst nach dem Klick, denn ein Klick sagt noch nichts über die Qualität des Traffics aus. Es geht doch darum, was die Leute auf der Seite tun, wie lange sie dort verweilen und womit sie interagieren. Wenn Werbewirkung und nicht die reine Reichweite im Fokus steht, ergibt es also keinen Sinn auf die Klickrate zu optimieren. Genau das passiert heute aber noch sehr häufig.
ADZINE: Wie geht es deiner Meinung nach besser?
Forster: Marketer sollten Traffic qualitativ unter die Lupe nehmen. Dabei können KPIs wie Verweildauer, Scroll-Tiefe, weitergehende Klicks, CTA-Auslösung, vollständige Video-Views, aber auch Inaktivität oder umgehende Absprünge helfen. Aus diesen Metriken lässt sich anteilig eine Qualitäts-KPI errechnen, wir nennen das den Quality Score. Mithilfe dieser Kennzahl sind Marketer dazu in der Lage, die Kanäle zu identifizieren, über die wertvoller Traffic generiert wird. Quellen mit Klicks ohne Engagement sollten sie hingegen aussortieren.
Ganz ohne Quantität geht es natürlich nicht, denn sonst kommt nicht genug Traffic zur Optimierung zustande.
ADZINE: Welche konkreten Maßnahmen können Marketer in der Praxis aus dem Quality Score ableiten? Magst du Beispiele nennen?
Forster: Der Quality Score dient in erster Linie dazu, alle Traffic-Quellen auf einen Nenner zu bringen und miteinander vergleichbar zu machen. Auf dieser Basis können Marketer Paid-Media-Kanäle besser steuern und Budgets besser allokieren. Ein Beispiel: Eine Kampagne wird über verschiedene Kanäle ausgespielt, sagen wir Social Media, Direct Display, Programmatic Display. Die einzelnen Kanäle generieren unterschiedliche Quality Scores, beispielsweise Social 50, Display Direct 35, Programmatic 25. Dann sollte ich mein Budget in Richtung des höchsten Quality Scores shiften.
Das kann nicht nur auf die einzelnen Kanäle angewandt, sondern auch auf einzelne Publisher heruntergebrochen werden. So sortiere ich nachweislich schlechte Traffic-Qualität aus, was wiederum meinen Budgeteinsatz deutlich verbessert.
ADZINE: Wie bestimmen die Marketingverantwortlichen, welche Gewichtung die einzelnen KPIs haben sollen? Also wie hoch deren Einfluss auf den Quality Score insgesamt ist?
Forster: Das sollte immer vom Kampagnenziel abhängig gemacht werden. Ein potenzieller Kunde entscheidet sich nur in seltenen Fällen direkt innerhalb der Session, einen Lead oder Einkauf zu tätigen. Umso wichtiger ist es, die Events zu messen und zu verstehen, die einen User diesen Zielen näher bringen. Je näher eine Interaktion den Nutzer in Richtung des Kampagnenziels führt, desto höher sollte die Gewichtung sein. Zum Beispiel: 5 Punkte für eine Scrolltiefe von 25 Prozent, 10 Punkte für eine Scrolltiefe von 50 Prozent, 25 Punkte für den Start eines Produktvideos, 50 Punkte für das Ausfüllen eines Leadformulars, 100 Punkte für eine Conversion.
ADZINE: Wie wird sich die Kampagnenoptimierung angesichts des weltweiten Strebens nach User Privacy entwickeln? Dort gibt es künftig sicherlich einige Hürden für das Marketing zu nehmen. Wie sehen diese aus und wie meistert man sie?
Forster: Das Aussterben der Third-Party-Cookies und die rechtlichen Hürden rund um das Thema Consent beschäftigen derzeit viele Marketer, weil sie Daten und Tracking-Informationen verlieren, wenn Nutzer keinen Consent geben und gleichzeitig Absprungraten durch die Consent-Banner nach oben gehen. Das heißt, potenzielle Kunden, die gegebenenfalls teuer gewonnen wurden, gehen direkt wieder verloren, ohne eine Wertschöpfung zu generieren.
Aber um ehrlich zu sein, sehe ich die Herausforderungen als gar nicht so groß an. Der gestiegene Wunsch nach mehr Privatsphäre der Nutzer ist für mich absolut nachvollziehbar und sollte auf jeden Fall ernst genommen und akzeptiert werden. Im Bereich Martech gibt es alternative Technologien und Ansätze, die genau auf dieses Nutzerinteresse einzahlen. Tracking funktioniert auch ohne die Verarbeitung von personenbezogenen Daten und ohne den Einsatz von Cookies oder anderen Identifiern.Die größte Herausforderung liegt meiner Meinung nach darin, dass viele Unternehmen jetzt im Hinblick auf die eingesetzten Technologien umdenken und das Setup verändern müssen.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Markus!