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Bremer Skandal-Bank: Wie Greensill in Turbulenzen geriet

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Bremer Skandal-Bank: Wie Greensill in Turbulenzen geriet

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Analyse

Stand: 06.03.2021 16:40 Uhr

Der Greensill-Skandal zieht weiter seine Kreise: Vielen deutschen Kommunen drohen Millionenverluste. Wie konnte es dazu kommen? Lag es am Geschäftsmodell der Bremer Bank?

Von Till Bücker,
tagesschau.de

Bis vor einer Woche war die Bremer Greensill Bank allenfalls Finanzprofis ein Begriff. Das hat sich mittlerweile gravierend geändert. Berichten zufolge haben rund 50 Kommunen in Festgeldkonten der von der BaFin geschlossenen Privatbank investiert – und dadurch massiv Geld verloren.

Während zahlreiche Privatanleger durch die Einlagensicherung geschützt sind, sind die millionenschweren Spareinlagen von Städten wie Osnabrück, Monheim am Rhein oder Bad Dürrheim vermutlich futsch. Sowohl für die kommunalen Verwaltungen als auch für die Finanzaufsicht und die Online-Plattformen, über die viele Investoren ihr Geld zu vergleichsweise hohen Zinsen anlegten, hagelt es von allen Seiten Kritik.

Doch wie kam es zum Drama um die Bremer Greensill Bank? Wie ist die Verbindung zum britisch-australischen Finanzkonglomerat Greensill und welches Geschäftsmodell steckt dahinter?

Factoring ein „gängiges Instrument“

Der Mutterkonzern Greensill Capital Pty Ltd. wurde 2011 von Lex Greensill, einem australischen Bauernsohn, gegründet. Das Kerngeschäft betreibt Greensill Capital mit Firmenzentrale in London. Groß wurde das Finanzunternehmen 2019 dank einer milliardenschweren Kapitalspritze des japanischen Techinvestors Softbank. Es ist spezialisiert auf Lieferkettenfinanzierung („Supply-Chain-Finanzierung“).

Die Praxis, dass ein Lieferant seine offenen Rechnungen an einen Zwischenhändler weiterleitet, ist schon länger in wirtschaftlichen Prozessen etabliert. Beim sogenannten Factoring kauft ein Finanzdienstleister die Forderungen mit einem Rabatt ab und holt sich dann den vollen Betrag beim Kunden zurück. Durch die Differenz macht er Gewinn.

Der Vorteil für den Lieferanten: Er erhält sein Geld pünktlich ohne Verzögerungen und kann somit kurzfristig seine Liquidität erhöhen. Zudem geht das Ausfallrisiko – die Gefahr, dass der Schuldner pleite geht – komplett an die Factoring-Gesellschaft über.

„Das Factoring-Volumen ist in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren auch in Deutschland massiv gewachsen – meist um jährlich acht bis zehn Prozent“, betont Thomas Hartmann-Wendels, Professor an der Universität Köln und Bankenexperte, im Gespräch mit tagesschau.de. Die Akzeptanz sei stark gestiegen und das Factoring ein gängiges Instrument. 2019 betrug der Umsatz der Branche seinen Schätzungen zufolge mehr als 280 Milliarden Euro.

Thomas Hartmann-Wendels ist Professor an der Universität Köln und Bankenexperte.

Bild: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln

Greensill betreibt Reverse-Factoring

Auch Greensill betreibt Factoring – allerdings überwiegend auf eine andere Art. Diese heißt Reverse-Factoring und funktioniert genau umgekehrt. „Der Unterschied ist: Nicht der Lieferant ergreift die Initiative, sondern der Schuldner“, sagt Hartmann-Wendels. Das sei aber eher ein Nischenbereich und mache lediglich einen kleinen Teil des Factoring-Geschäfts aus.

Die Kunden, in dem Fall oft große internationale Konzerne, lassen sich den Kauf der jeweiligen Ware oder Dienstleistung vorfinanzieren und können somit ihre Zahlungsfrist ausdehnen. Auch hier bekommt der Lieferant sein Geld schneller, wiederum mit einem kleinen Abschlag.

Der Abnehmer zahlt die komplette Rechnung plus eine Gebühr zu einem späteren Zeitpunkt an Greensill, die dadurch Gewinn erzielen. Das Geschäftsmodell gilt nicht unbedingt als problematisch, auch wenn die Unternehmen dadurch theoretisch eine Überschuldung in ihrer Bilanz verschleiern könnten.

Bremer Bank sammelte Geld ein

Greensill hat diesem Geschäft nochmals einen neuen Dreh gegeben: Der Konzern übernimmt die Zwischenfinanzierung und bezahlt die Lieferanten-Forderungen schließlich mit Geld von Investoren. Dazu werden zum einen Rechnungen in anleiheähnliche Investitionen verpackt, die über Fonds an Anleger verkauft werden. „Die Finanzierung über den Kapitalmarkt ist eher unüblich. Normalerweise refinanzieren sich Factoring-Unternehmen überwiegend über große Banken“, so Bankenexperte Hartmann-Wendels.

An dieser Stelle kommt zum anderen die deutsche Greensill Bank ins Spiel. Die Bremer NordFinanz Bank AG, 2014 von Greensill Capital übernommen und umbenannt, sammelt bei Anlegern über Festgeldkonten Geld ein, um das Geschäft des Mutterkonzerns bei der Lieferkettenfinanzierung zu unterstützen. Mit Erfolg: Nach Information aus Finanzkreisen belaufen sich die aktuellen Kundeneinlagen auf rund 3,6 Milliarden Euro. Allein von 2018 auf 2019 hatten sie sich von knapp 582 Millionen Euro auf über 3,2 Milliarden Euro fast versechsfacht.

Auch die Bilanz des Geldhauses war zuletzt nahezu explodiert und 2019 um 472 Prozent auf gut 3,8 Milliarden Euro gestiegen. Ende 2020 waren es nach BaFin-Angaben rund 4,5 Milliarden Euro. Laut der Ratingagentur Scope ist die Bremer Bank „vollständig abhängig von Greensill Capital, um Geschäft zu generieren und Risiken abzusichern“. Diese enge Verbindung „impliziert, dass die Kreditwürdigkeit der Bank mit dem Risikoprofil von Greensill zusammenhängt“, heißt es in einer Analyse von 2020.

Geldgeber rücken ab

Das wurde den Bremern nun zum Verhängnis. Denn das britisch-australische Fintech kämpft derzeit ums Überleben. Die Holding beantragte am Dienstag in Australien Gläubigerschutz. Auch in Großbritannien soll ein Insolvenzantrag vorbereitet werden. Das Unternehmen sucht händeringend einen neuen Eigentümer. Derzeit wird mit dem Finanzinvestor Apollo über einen Notverkauf großer Teile des operativen Geschäfts verhandelt.

Mehrere große Partner hatten zuletzt das Vertrauen verloren und ihre Geschäftsbeziehungen gekappt. Die Schweizer Großbank Credit Suisse etwa löste am Freitag vier mit Greensill betriebene Lieferketten-Finanzierungs-Fonds auf. Gemeinsam hatten sie ein Volumen von rund zehn Milliarden Dollar. Die Gründe für den Rückzug: Bewertungsunsicherheiten, die eingeschränkte Verfügbarkeit eines Versicherungsschutzes und Herausforderungen bei der Beschaffung geeigneter Vermögenswerte.

Schon am Montag hatte die Schweizer Bank den Handel ausgesetzt. Die Anleger sollen das verbliebene Fondsvermögen ausgeschüttet bekommen. Auch das Schweizer Fondshaus GAM hatte jüngst angekündigt, einen zusammen mit Greensill verwalteten Fonds zu schließen.

Überschuldung und unrichtige Bilanzierung

Somit waren dem Finanzkonglomerat schlagartig wichtige Geldgeber weggebrochen. Neben den ausgelaufenen Kreditversicherungen und möglichen Forderungen gegenüber Unternehmen mit zweifelhafter Bonität hatte sie offenbar auch die große Abhängigkeit und die enge Beziehung zu Sanjeev Gupta, dem britisch-indischen Geschäftsmann, nervös gemacht. Zu seinem Familienholding GFG Alliance gehört unter anderem die Firma Liberty Steel, die vor kurzem ThyssenKrupp kaufen wollte.

Durch den Wegfall der Gelder ist nun auch die Bremer Bank in Schieflage geraten. Die BaFin machte sie am Mittwoch wegen „drohender Überschuldung“ dicht und schloss den Kundenverkehr. Durch ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot sollen Vermögenswerte gesichert werden.

Dazu kommt der Vorwurf der unrichtigen Bilanzierung, weshalb die Finanzaufsicht auch Strafanzeige gegen die Bank stellte. Bei einer Sonderprüfung habe sie festgestellt, dass das Institut nicht in der Lage sei, „den Nachweis über die Existenz von bilanzierten Forderungen zu erbringen, die sie von der GFG Alliance Group angekauft hat“.

Greensill schon 2020 im Fokus der BaFin

Schon länger hat die BaFin die Greensill Bank im Visier – unter anderem wegen des rasanten Wachstums sowie möglicher Klumpenrisiken. Laut Finanzkreisen monierte die Aufsicht bereits im vergangenen Sommer, dass das Institut entgegen den geltenden Regeln zu viel Geld an Gupta verliehen habe und damit ein Konzentrationsrisiko eingehe. Und das, obwohl die Bank stets von einem diversifizierten – also breiten und vielfältigen – Portfolio an Forderungen berichtet habe.

Zudem hat die Behörde Insidern zufolge Zweifel an der Werthaltigkeit der Forderungen, die die Bremer Bank über den Mutterkonzern Greensill Capital finanzierte – etwa bei Forderungen, die erst in der Zukunft und ohne konkreten Auftrag entstehen. Daher gab die BaFin in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband deutscher Banken und dem Prüfungsverband deutscher Banken (PdB) die Sonderprüfung in Auftrag. Anfang 2021 wurde ein Beauftragter der Bundesbank beim Geldinstitut installiert, um das Tagesgeschäft zu überwachen.

Spätestens Mitte April gibt die BaFin nun bekannt, ob der Geschäftsbetrieb der Bank weitergehen darf – in welcher Form auch immer.

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