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Bundeswehr-Hubschrauber vor Kabul-Einsatz
Stand: 21.08.2021 09:35 Uhr
In Kabul warten viele Menschen auf Rettung, die es nicht zum Flughafen schaffen. Nun sollen zwei kleine Bundeswehr-Hubschrauber zum Einsatz kommen, die fast überall landen können. Auch die Rettungsflüge gehen weiter.
In Kabul sind zwei Bundeswehr-Hubschrauber angekommen, die bei der Rettung „schutzbedürftiger Menschen“ eingesetzt werden sollen. Die beiden H145M-Helikopter waren an Bord einer A400M Transportmaschine dorthin geflogen worden.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums können die kleinen H145M dazu eingesetzt werden, einzelne Bundesbürger oder auch Ortskräfte aus Gefahrenlagen zu retten. Normalerweise werden sie mit Spezialkräften wie Soldaten des KSK eingesetzt.
Kleine Hubschrauber, große Flexibilität
Die deutschen Hubschrauber wurden von den USA angefordert. Die US-Armee setze hauptsächlich „großvolumige Hubschrauber“ ein und benötigte im städtischen Umfeld eine kleinere Maschine, sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn am Freitag. „Die haben wir.“ Die H145M benötigen nur sehr kleine Flächen zur Landung.
Im Einsatz sollen die Bundeswehrmaschinen immer von Hubschraubern der USA begleitet werden. Im Hintergrund gebe es zudem von US-Seite eine „luftbewegliche Eingreifreserve“.
Vermutlich werden die beiden H145M in Kabul immer paarweise eingesetzt – an Bord werden dann jeweils ein oder zwei Fallschirmjäger oder Spezialkräfte zur Absicherung sein. Dadurch werden dann maximal vier oder fünf Menschen pro Maschine ausgeflogen werden können.
US-Hubschrauber retten Menschen aus Hotel
Das US-Militär nutzt vor allem große „Chinook“-Hubschrauber. Erst am Freitag seien 169 Menschen aus einem Hotel in Kabul mit drei „Chinooks“ abgeholt worden, teilte Pentagon-Sprecher John Kirby mit. Ohne diesen Einsatz wäre es für die betroffenen Personen aufgrund der Menschenmassen rund um das Flughafengelände wohl nicht möglich gewesen, sicher auf den Flughafen zu gelangen.
Die großen Transporthubschrauber mit zwei Hauptrotoren benötigen allerdings große Freiflächen, um landen zu können.
„Chinooks“ spielten bei der Evakuierung mehrerer Botschaften in Kabul eine entscheidende Rolle.
Bild: dpa
Bundeswehr-Flüge erreichen Taschkent
Unterdessen setzte die Bundeswehr ihre Evakuierungsmission mit Flugzeugen fort. In der Nacht konnten demnach „172 schutzbedürftige Personen“ an Bord eines A400M aus Kabul ausgeflogen werden. Das teilte die Bundeswehr auf Twitter mit. Die Maschine sei kurz nach 23 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit in Taschkent in Usbekistan gelandet.
Noch in der Nacht startete ein weiterer Flug aus Kabul, an Bord befanden sich jedoch nur sieben Personen.
Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur dpa wurden bislang 1800 Menschen mithilfe der Bundeswehr aus Afghanistan in Sicherheit gebracht, nachdem die Taliban die Macht in dem Land übernommen haben. Die Nachrichtenagentur AFP sprach sogar von mehr als 2000 Menschen. Dabei handelt es sich um Bundesbürger, afghanische Ortskräfte sowie Menschen aus insgesamt 36 weiteren Ländern.
Gefährliche Lage in Kabul
Maßgeblich für Rettungsflüge ist die Sicherheit in Kabul und am Airport der Stadt. Dort ist die Lage jedoch weiter angespannt. Die deutsche Botschaft wies in der Nacht auf einen besonders erschwerten Zugang zum Flughafen in Kabul hin. „Die Lage am Flughafen Kabul ist weiterhin äußerst unübersichtlich. Es kommt immer häufiger zu gefährlichen Situationen und bewaffneten Auseinandersetzungen an den Gates“, heißt es in dem Schreiben. „Das NORTH GATE des Hamid Karzai International Airport, militärischer Teil wird definitiv heute Nacht geschlossen sein.“
Es wurden bereits zwei Deutsche verletzt. Ein Mann wurde leicht verletzt, bestätigte das Auswärtige Amt. Bereits am Freitag war bekannt geworden, dass ein anderer Deutscher auf dem Weg zum Flughafen angeschossen wurde. Es handele sich dabei um einen Zivilisten, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Bei dem Mann bestehe keine Lebensgefahr.
Weiterhin versuchen Tausende Afghanen das Land zu verlassen
Patricia Klieme, MDR, 21.8.2021
Entwicklungsminister für größere Evakuierungsmission
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller plädierte dafür, den laufenden Rettungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan noch auszuweiten. Allein in der Entwicklungszusammenarbeit hätten nach Kriterien der Bundesregierung „potenziell 1800 Ortskräfte und deren Familien Anspruch auf Ausreise“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Nach bisherigen Regelungen haben afghanische Ortskräfte, deren Ehepartner und minderjährige Kinder Anspruch auf die Ausreise nach Deutschland. Volljährige Kinder sind bisher ausgenommen. Müller betonte, dass es „im Einzelfall“ aber „inhuman“ sei, Familien zu trennen. Daher müssten die Vorschriften geändert werden.
Des Weiteren drängte Müller auf deutlich stärkere finanzielle Anstrengungen Deutschlands. Die angekündigten 100 Millionen Euro für humanitäre Flüchtlingshilfe seien „entschieden zu wenig“. Vor allem um Nachbarländer Afghanistans bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen zu unterstützen, sprach sich Müller für eine internationale Sofortinitiative der G7- und G20-Staaten aus. So müssten mehr als fünf Milliarden Euro zur Unterstützung von UN-Hilfsorganisationen gesammelt werden. Daran solle sich Deutschland mit 500 Millionen Euro beteiligen.
Baerbock wirft Maas „riesengroßes Versagen“ vor
Die Bundestagsfraktion der Linkspartei forderte, auch Familienangehörige von bereits in Deutschland lebenden afghanischen Staatsbürgern in die Evakuierungsmission der Bundeswehr aufzunehmen. Ulla Jelpke, Innenpolitikerin der Linkspartei, kritisierte in dem Zusammenhang die aus ihrer Sicht bisher schleppende Vergabe von Visa für die Ausreise nach Deutschland. „Über einjährige Wartezeiten, nur um einen Visumsantrag stellen zu können, sind schlicht inakzeptabel“, sagte Jelpke ebenfalls gegenüber der Funke Mediengruppe. „Durch diese bürokratische Abwehrhaltung sind jetzt viele Menschen, die eigentlich längst bei ihren Familienangehörigen in Deutschland sein sollen, in Afghanistan in akuter Gefahr.“
Auch Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, drängte darauf, afghanische Ortskräfte und deren Familien schnellstmöglich aus Afghanistan auszufliegen. Gleiches forderte sie zudem für Menschen, die sich in Afghanistan für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben. Bundesaußenminister Heiko Maas warf sie „ein riesengroßes Versagen“ vor. Seit Monaten sei klar gewesen, dass afghanische Ortskräfte Schutz bräuchten. „Experten haben deutlich vor den Gefahren gewarnt. Die Bundeswehr hat davor gewarnt. Diese Bundesregierung aber hat sich entschieden, außenpolitisch abzutauchen“, kritisierte Baerbock in der „Süddeutschen Zeitung“.
Bundeswehr schickt zwei Hubschrauber nach Kabul
Andreas Reuter, ARD Berlin, 20.8.2021 · 15:45 Uhr