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Corona-Impfungen: Hausärzte kritisieren „Wahlkampfgetöse“
Stand: 03.08.2021 08:32 Uhr
Über die Ausweitung des Impfangebots für Kinder wird weiter heftig diskutiert. Während die Kinderärzte die Ständige Impfkommission zu einer Neubewertung auffordern, kritisiert der Hausärzteverband, dass die STIKO umgangen wurde.
Die geplante Ausweitung des Impfangebots für Zwölf- bis 17-Jährige ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Nach dem Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern rief der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte die Ständige Impfkommission (STIKO) zu einer Neubewertung der Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersgruppe auf.
„Bereits heute dürfen Ärztinnen und Ärzte entsprechend der aktuell gültigen STIKO-Empfehlung nach intensiver Aufklärung Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren impfen“, sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach der „Rheinischen Post“. „Ich persönlich bin ein Befürworter dieser Impfungen.“ Das Risiko von Nebenwirkungen durch die Impfung sei extrem gering, das zeigten alle Daten aus anderen Ländern. „Deswegen wünsche ich mir eine zeitnahe Neubewertung durch die STIKO. Und nicht nur ich tue das, sondern auch meine Patientinnen und Patienten und deren Eltern.“
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Es sei den Kindern und Jugendlichen nicht zuzumuten, „dass der Streit um Freiheiten für Geimpfte und Ungeimpfte in die Klassenzimmer getragen wird“, betonte Fischbach. Er halte aber nichts davon, Kindern und Jugendlichen zuerst in den Impfzentren ein Impfangebot zu machen. „Das sollten wir Kinder- und Jugendärzte machen. Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten meist seit Jahren und können sie am besten nach ihren individuellen Bedürfnissen beraten.“
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Hausärzteverband stärken STIKO den Rücken
Der Deutsche Hausärzteverband kritisierte hingegen, dass die STIKO außen vor gelassen wurde. „Diese Diskussion unter Missachtung der Kompetenz der Ständigen Impfkommission kann eher zur Verunsicherung führen, als dass sie der Impfkampagne hilft“, sagte dessen Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Warum eine Empfehlung der STIKO dazu zunächst nicht abgewartet werden kann, die sich auf Basis von fundierten Studien zeitnah äußern will, ist mir schleierhaft. Das Ganze klingt ein wenig nach Wahlkampfgetöse.“ Das Risiko liege mehr bei den nicht impfwilligen Erwachsenen als bei den Kindern und Jugendlichen, sagte Weigeldt.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten am Montag beschlossen, dass nunmehr alle Länder Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige auch in Impfzentren oder auf andere niedrigschwellige Weise anbieten wollen. Mit ihrer Entscheidung umgingen die Ministerinnen und Minister die Empfehlung der STIKO, Corona-Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige nur bei Vorliegen bestimmter Vorerkrankungen wie Diabetes oder Adipositas durchzuführen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte bereits im Mai den Covid-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen, zuletzt folgte auch die Freigabe für Moderna.
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Spahn: „Es geht ausdrücklich nicht darum, Druck zu machen“
Der Vorsitzende der Länder-Gesundheitsminister, Klaus Holetschek aus Bayern, sagte in den tagesthemen, er sehe bei dem Angebot keinen Widerspruch zur Position der STIKO, da die Impfung von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren prinzipiell jetzt schon möglich sei – mit Aufklärung durch den Arzt, Einwilligung der Sorgeberechtigten und Risikoabschätzung. „Wir haben das im Mai bereits beschlossen, jetzt ist genug Impfstoff da“, so Holetschek. „Wir machen ein Angebot – es ist keine Impfverpflichtung.“
Ähnlich deutete auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Entscheidung: „Es geht ausdrücklich nicht darum, Druck zu machen“, sagte er dem RBB. Wer jedoch geimpft werden wolle, solle die Möglichkeit dazu bekommen. Spahn stellte heraus, dass sich bereits mehr als 900.000 Mädchen und Jungen in Deutschland einmal hätten impfen lassen, was etwa 20 Prozent aus dieser Altersgruppe entspreche. Auch den übrigen empfahl der Minister die Impfung. Gerade mit Blick auf die ansteckender Delta-Variante sei eine Ansteckung für Ungeimpfte in den nächsten Monaten „ziemlich wahrscheinlich“.
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Mertens rechnet mit zeitnaher STIKO-Entscheidung
Der Vorsitzende der STIKO, Thomas Mertens, sagte dem „Spiegel“, er hoffe, dass die Kommission in den nächsten Tagen eine überarbeitete Empfehlung vorlegt. Eine grundsätzliche Änderung könne er aber nicht versprechen. Zu dem Beschluss der Gesundheitsminister äußerte sich Mertens gelassen. „Das ist eine politische Entscheidung, es ist die Freiheit der Politik, so etwas im Sinne der allgemeinen Gesundheitsvorsorge anzubieten“, sagte er. Zugleich sprach er von einer „Stellvertreterdiskussion“ über die Impfung von Kindern, „als sei das der einzige Weg, die Impfquote zu erhöhen“.
Bei einer Online-Veranstaltung mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Ronja Kemmer am Abend in Ulm appellierte er vielmehr an die 18- bis 59-Jährigen, sich impfen zu lassen. Sie seien bei den Geimpften unterrepräsentiert. „Über 75 Prozent in dieser Altersgruppe wäre toll.“ Dann lasse sich auch eine vierte Welle abflachen. Der Gemeinschaftssinn sei dabei gefragt, denn Ungeimpfte könnten andere anstecken, die dann wiederum schwer an dem Virus erkranken könnten. Insbesondere die ungeimpften 20 Prozent der Lehrer sollten das nachholen. Das Coronavirus werde bleiben, nach einer Durchseuchung der Bevölkerung würden die schweren Verläufe aber verschwinden. „Es wird wie ein normales Virus werden, was uns nicht mehr so schreckt.“
Eine Impfung von Kinder- und Jugendlichen trage zur Herdenimmunität hingegen nicht bei. Dass in anderen Ländern aufgrund derselben Daten aus internationalen Studien andere Entscheidungen gefallen seien, verwundere nicht. Die Auswertung der Daten und die Schlussfolgerungen seien immer mit den jeweiligen Voraussetzungen verbunden. Dass etwa in den USA so viele Jugendliche geimpft seien, sei Folge höherer Anteile an Mangelernährung, Übergewicht und Diabetes in dieser Altersgruppe.