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Corona: Inzidenz steigt weiter – Debatte über Konsequenzen

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Corona: Inzidenz steigt weiter – Debatte über Konsequenzen

Stand: 09.08.2021 09:10 Uhr

Delta sorgt für eine steigende Inzidenz – doch wie ist das einzuordnen? Die Bundesregierung will morgen mit den Ländern über neue Regeln zur Bewertung der Corona-Lage beraten. Virologe Schmidt-Chanasit ist mit Blick auf Großbritannien optimistisch.

Kurz vor neuen Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Lage steigt die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz weiter an. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Morgen lag sie bei 23,1 – am Vortag hatte der Wert 22,6 betragen, vor einer Woche lag er bei 17,8. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 1183 Corona-Neuinfektionen. Vor einer Woche hatte der Wert für Deutschland bei 847 Ansteckungen gelegen.

Deutschlandweit wurden den neuen Angaben zufolge binnen 24 Stunden zwei Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche war es ein Todesfall gewesen. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.791.949 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.667.400 an. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 91.784.

Großbritannien als positives Beispiel?

Trotz der kontinuierlich steigenden Inzidenz zeigte sich der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit mit Verweis auf Großbritannien optimistisch. „Die Entwicklung in Großbritannien zeigt, dass man nicht einfach behaupten kann: ‚Wenn wir fast alle Maßnahmen aufheben, läuft alles aus dem Ruder‘. Wir sehen jetzt genau das Gegenteil“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die Lage dort sei zwar nicht eins zu eins auf andere Länder übertragbar. „Aber das macht doch Hoffnung, dass man durch die Impfungen so etwas erreichen kann, dass man trotz Aufhebung fast aller Maßnahmen auch sinkende Fallzahlen sieht und keine Überlastung des Gesundheitssystems.“

Die britische Regierung hatte am 19. Juli im Rahmen eines „Freedom Days“ fast alle Corona-Einschränkungen zurückgenommen und stattdessen an die Eigenverantwortung der Bürger appelliert – trotz stark steigender Fallzahlen. Die Infektionen waren in den Tagen darauf zurückgegangen und auch zuletzt nur wieder vergleichsweise leicht gestiegen. Zuletzt lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Großbritannien bei 283,5.

Schmidt-Chanasit riet für Deutschland zur Vorsicht. „Und es ist vor allen Dingen ja immer auch eine politische Entscheidung.“ Ob man einen „Freiheitstag“ wie in Großbritannien mache, „müssen wir als Gesellschaft diskutieren“.

Die Sieben-Tage-Inzidenz war in der Pandemie bisher Grundlage für viele Corona-Einschränkungen in Deutschland, etwa im Rahmen der Ende Juni ausgelaufenen „Bundesnotbremse. Bei der Bund-Länder-Konferenz soll es morgen nun auch darum gehen, einen neuen Bewertungsrahmen für die Corona-Lage zu finden, der über die Inzidenz hinausgeht – so sollen zum Beispiel Krankenhauseinweisungen stärker berücksichtigt werden. CSU-Generalsekretär Markus Blume zeigte sich bei „Bild live“ am Sonntagabend optimistisch, dass sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ein neues Corona-Regelwerk verständigen können.

Forderung nach neuen Schwellenwert

Blume stellte den Schwellenwert von 100 in Frage, ab dem im Frühjahr die bundesweite Bundesnotbremse griff, die unter anderem eine Homeoffice-Pflicht beinhaltete. Eine mögliche Neuauflage des Gesetzes im Herbst hängt laut Bundesregierung von der Entwicklung der Pandemie ab. Falls sie wieder beschlossen werden sollte, gibt es laut Blume „gute Gründe zu sagen, es braucht eine andere Grenze“.

Mit seiner Einschätzung steht Blume nicht alleine da: Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) hatte zuletzt in der „Bild am Sonntag“ gefordert, dass neben der Inzidenz auch die Belegung von Krankenhausbetten und Intensivstationen ausschlaggebend für die Beurteilung der Corona-Situation sein müsse. Zustimmung kam auch aus SPD und FDP.

Anders als CDU-Chef Laschet will CSU-Generalsekretär Blume Nachteile für Ungeimpfte nicht ausschließen. Wenn es zu „drastisch steigenden Neuinfektionen“ kommen sollte, könnte es bei Menschen, die nicht geimpft oder genesen, sondern nur getestet sind, zu Einschränkungen kommen, warnte er. „Wir wissen ja, dass Tests und gerade die Schnelltests definitiv nicht das Sicherheits- und Zuverlässigkeitsniveau haben, das wir eigentlich bräuchten“, sagte er.

Streit über Rechte von Geimpften und Ungeimpften

Die Debatte um die Rechte von Geimpften und Ungeimpften dürfte ein weiteres Thema bei den Bund-Länder-Beratungen sein. Dabei sind die Positionen auch innerhalb der Parteien durchaus unterschiedlich. So hatte zum Beispiel Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus einen Perspektivwechsel gefordert. Er erlebe momentan, „dass die Geimpften sauer sind auf die Nicht-Geimpften“, sagte der CDU-Politiker der „Welt am Sonntag“. „Ich glaube, der Druck durch den geimpften Teil der Bevölkerung wird enorm zunehmen. Und das ist völlig nachvollziehbar.“ Auch Grünen-Chef Robert Habeck nahm Nicht-Geimpften in die Pflicht: „Es geht nicht darum, Ungeimpfte auszuschließen“, sagte er im ZDF-Sommerinterview. Es gehe darum, Geimpften Grundrechte und ein freies Leben zurückzugeben – auch im Winter und im Herbst.

Angesichts der Pandemielage seien weitreichenden Grundrechtseinschränkungen seitens des Staates der falsche Weg, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht im RBB. Anders sei die Lage, wenn ein Restaurantbetreiber auf Grundlage der Vertragsfreiheit nur Geimpfte als Gäste zulässt, so die SPD-Politikerin. Laut Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher sollen Ungeimpfte künftig nur mit negativem PCR-Test Geimpften und Genesenen gleichgestellt werden. „Antigen-Schnelltests sind nicht zuverlässig genug“, sagte der SPD-Politiker.

Weiter steht auch eine Ende der staatlich finanzierten Angebote von Corona-Tests im Raum. Dazu liegt ein Entwurf aus dem Gesundheitsministerium vor, der von zahlreichen Politikern unterstützt wird. Auch Justizministerin Lambrecht sprach sich dafür aus, das staatlich finanzierte Angebot von Coronatests zu beenden. Einen konkreten Zeitpunkt wollte sie dafür aber nicht nennen. Sie glaube, der September sei so ein Monat, „wo dann auch solche Entscheidungen durchaus getroffen werden können“. Wenn bis dahin jemand kein Impfangebot annehme, müsse er die Konsequenzen tragen. Er könne dann nicht erwarten, dass die Allgemeinheit die erforderlichen Tests finanziert.

Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Baden-Württemberg, Stephan Weil (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne), sprachen sich ebenfalls beide für ein Ende der Gratistests aus – ebenso SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder wollen am Dienstag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin über die weitere Strategie in der Pandemie beraten.


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