Connect with us
img

Hot News in World

Delta-Variante in Europa: „Wir müssen das wirklich ernst nehmen“

Delta-Variante in Europa: "Wir müssen das wirklich ernst nehmen"

NEUIGKEITEN

Delta-Variante in Europa: „Wir müssen das wirklich ernst nehmen“

Stand: 18.06.2021 21:56 Uhr

Die Corona-Lage in Deutschland ist entspannt. Doch der Anteil der aggressiven Delta-Variante an den Neuinfektionen steigt. Politiker und Wissenschaftler sind zunehmend besorgt – auch wegen der anstehenden Reisewelle.

Die Delta-Variante des Coronavirus breitet sich europaweit zunehmend aus. Vor allem deshalb warnten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron davor, dass die Fortschritte der Pandemiebekämpfung durch zu schnelle Lockerungen wieder zunichte gemacht werden könnten.

„Deutschland und Frankreich haben relativ strenge Regeln wegen der Delta-Ausbreitung in Großbritannien erlassen,“ sagte Macron vor einem gemeinsamen Essen im Kanzleramt in Berlin. „Es gibt aber einige Länder, die wegen ihrer Tourismusindustrie schnellere Öffnungen beschlossen hatten“. Deshalb müsse man wachsam sein. Man werde das Thema auf dem EU-Gipfel kommenden Donnerstag und Freitag ansprechen.

Auch Merkel warnte vor zu großer Sorglosigkeit in der EU. Macron habe das Thema unterschiedlich strenger Einreisebeschränkungen der EU-Staaten bereits auf dem letzten Gipfel angesprochen und sie habe ihn unterstützt. „Wir können nicht so tun, als wäre Corona vorbei“, warnte sie. Es gebe zwar auf europäischer Ebene heute schon mehr Koordinierung als 2020, aber sie reiche noch nicht aus.

Merkel fordert bessere Koordinierung in der EU

Die Erfahrungen aus der Pandemie hätten gelehrt, dass man europäisch möglichst einheitlich handeln müsse, sagte Merkel. „Wir müssen natürlich weiter wachsam sein, was die Ausbreitung von Varianten oder Mutanten anbelangt.“ Es gebe etwa eine verbesserte, aber noch keine perfekte Koordinierung bei den unterschiedlichen Einreiseregeln in der EU.

Hintergrund ist, dass vor allem Tourismus-Länder in Südeuropa sich wieder für britische Urlauber öffnen, obwohl sich im Königreich die Delta-Variante massiv ausbreitet. Inzwischen ist die Mutante für 96 Prozent aller Neuinfektionen in Großbritannien verantwortlich. 

Debatte um Fanreisen und Verlegung des EM-Finalspiels
Vassili Golod, ARD London, tagesthemen 21:45 Uhr, 18.6.2021

Sorge vor EM-Finalwoche in Großbritannien

Merkel warnte außerdem zu großer Vorsicht bei der Fußball-EM. „Es ist schön, dass jetzt in München zum Beispiel wieder 14.000 Fans sein können. Aber wenn ich vollkommen besetzte Stadien sehe in anderen Ländern Europas, dann bin ich bisschen skeptisch, ob das jetzt schon die richtige Antwort auf die augenblickliche Situation ist“, sagte sie.

Macron erklärte, er gehe zwar davon aus, dass die EM-Organisatoren wachsam seien. „Was unsere Teams angeht, sind die Vorkehrungen getroffen“, so der französische Präsident. Doch die Frage, die sich für das Finale stellen werde, sei die der Fans. Derzeit gibt es Gedankenspiele darüber, Spiele der Finalwoche der EM wegen der dortigen Verbreitung der Delta-Variante nicht wie geplant in Großbritannien stattfinden zu lassen.

Kanzleramtsminister Helge Braun riet deutschen Fans bereits von Reisen zu den Spielen in London ab. Die Situation in Großbritannien sei seine „große Sorge“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Noch kein Sommer „voller Freiheiten“

Merkel sagte, wegen sehr geringer Fallzahlen könne man Corona-Ausbrüche in Deutschland derzeit sehr viel besser verfolgen und mit der Delta-Variante gut umgehen. „Aber ich kann nur sagen: Wir können nicht so tun, als wäre Corona vorbei. Auch wenn an einem solchen Sommerabend das Gefühl ist, da ist nichts mehr.“

Auch weil es einen großen Teil nicht geimpfter Menschen gebe, die keinen vollen Schutz hätten, „glaube ich, ist Vorsicht weiter notwendig, damit wir einen Sommer doch vieler Freiheiten haben, aber noch nicht aller Freiheiten“, so Merkel. Dies gelte insbesondere auch für Großereignisse wie bei der Fußball-EM.

Bei einem Reproduktionswert von 0,7, wie es ihn derzeit in Deutschland gebe, werde die Delta-Variante wahrscheinlich zu aggressiv sein, „als dass wir eine Konstanthaltung unserer Inzidenz haben können, wenn sie sich voll ausgebreitet hat“, sagte Merkel auf die Frage, ob die Gefahr drohe, dass sich der Fehler des Sommers 2020 wiederhole. Damals gab es auch sehr geringe Inzidenzwerte, die aber im Herbst und Winter wieder hochschnellten.

Süd-Dänemark und Schleswig-Holstein betroffen

Auch der Virologe Christian Drosten mahnte, die Mutante in Deutschland ab sofort ernst zu nehmen. „Ich bin mittlerweile so weit, dass ich sage, wir sind hier jetzt im Rennen in Deutschland mit der Delta-Variante“, sagte Drosten auf dem Online-Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin. „Wir müssen das ab jetzt wirklich ernst nehmen.“

Nach einer Analyse des Robert Koch-Instituts für die erste Juniwoche hatte sich der Anteil der Delta-Variante in Deutschland innerhalb von nur einer Woche auf sechs Prozent fast verdoppelt. „Vom Gefühl her kann ich sagen, uns rufen immer mehr Leute an, die Ausbrüche beschreiben, immer mehr Labore“, sagte Drosten. Vor allem in Süd-Dänemark und Schleswig-Holstein gebe es gerade ein Ausbruchsgeschehen. Die Situation jetzt in Deutschland sei mit der in England im Mai durchaus ein wenig vergleichbar, analysierte Drosten.

In Großbritannien hatte die ansteckende Delta-Variante innerhalb weniger Wochen trotz fortgeschrittener Impfquoten die Vorherrschaft übernommen. Die Inzidenzen stiegen wieder von 20 auf 70. Lockerungen wurden deshalb gestoppt. Angesteckt hätten sich dabei vor allem junge Erwachsene – zum Beispiel beim Feiern oder auch in der Gastronomie, sagte Drosten.

Wieler: Im Herbst gewinnt Delta Überhand

Auch der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte, noch kursiere die Delta-Variante in Deutschland auf niedrigem Niveau von rund sechs Prozent. Es sei aber nicht die Frage, ob sie das Infektionsgeschehen in Deutschland dominiere, sondern wann. Spätestens im Herbst werde sie wohl die Überhand gewinnen.

Laut Gesundheitsminister Jens Spahn sollen alle positiven PCR-Tests wieder genauer auf eine mögliche Delta-Virusform untersucht werden, nicht nur Stichproben. Großbritannien zeige, wie fragil Erfolge in der Pandemiebekämpfung sein könnten, mahnten Wieler und Spahn. Auch bei niedrigen Inzidenzen sei ein behutsames Öffnen in kleinen Schritten nötig, sagte Wieler.

Maßnahmen in Italien, Portugal und Russland

In Anbetracht der Lage sind inzwischen mehrere Staaten wieder zu einer restriktiveren Pandemiepolitik zurückgekehrt. So hat Italien eine fünftägige Quarantäne für Reisende aus Großbritannien erlassen. Die Maßnahme soll ab Montag gelten und wird durch eine Pflicht zum Coronatest ergänzt. In Deutschland gilt Großbritannien als Virusvariantengebiet, deshalb müssen Reisende von dort noch strengere Regeln als jetzt in Italien beachten.

Lissabon ist wegen der Ausbreitung der Variante seit heute Nachmittag für zweieinhalb Tage abgeriegelt. Bis zum Montagmorgen dürfen die Bewohner den Großraum Lissabon nur aus triftigem Grund verlassen.

Auch in Russland breitet sich die Delta-Variante aus. In Moskau wurde deshalb die Fan-Zone zur Fußball-EM geschlossen und alle Freizeitveranstaltungen mit mehr als tausend Teilnehmern verboten. Die Behörden meldeten heute mehr als 9000 Neuinfektionen in der russischen Hauptstadt – dreimal so viele wie vor zwei Wochen und die höchste Zahl seit Beginn der Corona-Pandemie vor anderthalb Jahren.

Fast 90 Prozent der Neuinfektionen seien durch die Delta-Variante ausgelöst, warnte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin. Es gebe eine „enorme Dynamik“ bei der Ausbreitung des Virus, die es bei den vorangegangenen Corona-Wellen nicht gegeben habe.


Source link

Continue Reading
You may also like...

More in NEUIGKEITEN

To Top
error: Content is protected !!