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Gerichte in der Pandemie: Welche Corona-Regeln kassiert wurden
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Immer wieder kippen deutsche Gerichte Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Ein Überblick über die wichtigsten Beschlüsse – und wie sie begründet wurden.
Von Kerstin Anabah und Felix Schwind, SWR, ARD-Rechtsredaktion
Maskenpflicht – aber wo?
Das Tragen von Masken ist mittlerweile auf öffentlichen Plätzen und Einkaufsstraßen vieler Städte verpflichtend. Auch in geschlossenen Räumen oder im Nah- und Fernverkehr müssen Mund und Nase bedeckt werden. Gegen die Verpflichtung zum Tragen von Masken gab es zahlreiche Klagen. Die meisten waren erfolglos. Die Gerichte sahen das Ziel, die Ausbreitung der Pandemie durch das Tragen von Masken einzudämmen, als legitim und auch nachgewiesen an.
Ein Schüler aus Jena aber hatte mit seiner Klage gegen die Maskenpflicht im Unterricht Erfolg. Nach Ansicht der Richter rechtfertigte der damalige Stand der Corona-Zahlen nicht die Pflicht, eine Maske zu tragen. (VG Gera, Beschl. v. 3. 4. 2020 – 3 E 432/20).
Anders sah dies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein. Neben der oben beschriebenen Eignung in der Pandemiebekämpfung sei es laut dem Gericht zudem nicht erwiesen, dass das Tragen einer Maske zu körperlichen Einschränkungen führe (OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 6. 10. 2020 – 3 MR 43/20).
Es lässt sich festhalten: Jede Verwaltung muss bei der Umsetzung von Maßnahmen die Infektionslage im eigenen Kreis beachten. Angesichts steigender Fallzahlen sollen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg nun wieder Masken im Unterricht ab Klasse fünf getragen werden. Klagen hiergegen wird es mit Sicherheit geben.
Kurzurlaube – sind die erlaubt?
Über das Osterwochenende für einen Tag nach Rügen – für viele Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern hat dies Tradition. Die Landesregierung aber untersagte derartige Tagesausflüge. Sie hatte Angst vor Verstößen gegen die geltenden Kotaktbeschränkungen und einer unkontrollierbaren Ansteckungswelle. Zu Unrecht, wie das OVG Mecklenburg-Vorpommern feststellte.
Die Maßnahme sei zwar geeignet, eine Verlangsamung der Infektionen zu bewirken. Allerdings habe das Land nicht deutlich gemacht, warum das Reiseverbot nur für die flächenmäßig eher großen Ostseeinseln und nicht für andere Reiseziele innerhalb des Bundeslandes gelten solle. Auch sei zu berücksichtigen, dass aufgrund der geltenden Maßnahmen ja ohnehin weder ausländische noch Touristen aus anderen Bundesländern da seien (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 9. 4. 2020 – 2 KM 268/20 OVG und 2 KM 281/20).
Immer wieder Versammlungsverbote
Besonders häufig wurde gegen Versammlungsverbote geklagt. Populärstes Beispiel ist wohl die „Querdenker“-Demonstration in Berlin im August. Bis vor das Bundesverfassungsgericht aber schaffte es ein anderer Fall aus Hessen. Hier waren in Gießen eine Reihe von Versammlungen unter dem Motto „Gesundheit stärken statt Corona schwächen“ angemeldet worden. Trotz Vorlage eines Infektionsschutzkonzeptes wurden sie unter Verweis auf die geltende Corona-Verordnung und die dort festgelegten Kontaktbeschränkungen verboten.
Das Bundesverfassungsgericht gab dem Veranstalter schließlich Recht. Die Versammlungsbehörde habe von dem ihr nach dem Versammlungsgesetz zustehenden sogenannten Ermessenspielraum keinen Gebrauch gemacht und somit nicht abgewogen, ob die Versammlung nicht doch unter Auflagen stattfinden könne. Dies stelle einen Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG dar. ( BVerfG, Beschl. v. 15. 4. 2020 – 1 BvR 828/20).
800-Quadratmeter-Regel oft beanstandet
Zu einem wahren Flickenteppich führten die unterschiedlichen Gerichtsurteile zur Verkaufsfläche. Zunächst sollten bundesweit nur Geschäfte öffnen, die weniger als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche besaßen. Für Buchhandlungen, Auto- und Fahrradhändler galt hiervon eine Ausnahme. Der Einzelhandel kritisierte diese Regelungen heftig. Zahlreiche Klagen folgten.
Einige Gerichte bestätigten die Regeln (OVG Hamburg), andere wiederum beanstandeten sie. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof etwa gab dem Antrag einer Einzelhandelsunternehmerin auf einstweiligen Rechtschutz im Ergebnis statt. Nach Ansicht der Richter verstieß die Verkaufsflächenregelung gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Bevorzugung von Buchhandlungen, Auto- und Fahrradhändlern sei nicht gerechtfertigt. Daraufhin erlaubte die Landesregierung auch größeren Läden die Öffnung. Allerdings durften nur 800 Quadratmeter der Gesamtfläche genutzt werden.
Ein Eilantrag eines bayerischen Modehauses vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte. Die Karlsruher Richter entschieden: Die wirtschaftlichen Interessen großer Einkaufszentren müssten aufgrund der Gefahren von Covid-19 für Leib und Leben zurücktreten. (BVerfG, Beschl. V. 29. 4. 2020-1 BvQ 47/20)
Gottesdienste in Ausnahmen möglich
Beim Gottesdienstverbot hingegen verlangten die Verfassungsrichter in Karlsruhe, dass die Behörden genauer hinsehen. Sie kippten das generelle Verbot, Gottesdienste abzuhalten. Im Einzelfall müsse eine Ausnahmeregelung möglich sein. Nach Ansicht der Richter sei es richtig, dass religiöse Zusammenkünfte in Corona-Zeiten gefährlicher sein könnten als zum Beispiel das Einkaufen. Denn je nach Glaubensrichtung könnte zum Beispiel gesungen werden. Dadurch könnte das Virus eher verbreitet werden.
Mit Blick auf das wichtige Grundrecht der Glaubensfreiheit sei es aber nicht akzeptabel, dass in Niedersachsen religiöse Zusammenkünfte grundsätzlich verboten seien. Es müsse möglich sein, in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden Lösungen zu finden. Dass im Einzelfall nicht doch mal eine Ausnahme zugelassen würde, sei nicht vertretbar.
Geklagt hatte ein muslimischer Verein. Er wollte während des Fastenmonats Ramadan das Freitagsgebet ausrichten. Die Gläubigen hatten allerhand Sicherungsmaßnahmen angeboten. So sollten etwa in die Moschee, in die sonst 300 Menschen passen würden, nur 24 eingelassen werden. Vor den Instanzgerichten aber verlor der Verein, erst das Bundesverfassungsgericht lockerte das strikte Gottesdienstverbot in Kirchen, Moscheen und Synagogen. (BVerfG, Beschl.v. 29. 4. 2020, 1 BvQ 44/20)
Beherbergungsverbot in vielen Ländern gekippt
Besonders umstritten ist das Beherbergungsverbot. In einigen Bundesländern sollten Touristen aus Risikogebieten nur mit einem negativen Corona-Test übernachten dürfen, der nicht älter als 48 Stunden ist. In Baden-Württemberg, Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und zuletzt Schleswig-Holstein aber kippten die Oberverwaltungsgerichte dort geltende Beherbergungsverbote.
In Bayern, Hessen, Sachsen und im Saarland hatten die Landesregierungen Einschränkungen wieder zurückgenommen. Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Berlin und Bremen hatten auf Beherbergungsverbote von vorneherein verzichtet.
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