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Israel ist Impf-Weltmeister, zahlt aber seinen Preis

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Israel ist Impf-Weltmeister, zahlt aber seinen Preis

Stand: 13.03.2021 12:14 Uhr

Dass Israel in der Pandemie als Impf-Weltmeister dasteht, kommt nicht von ungefähr. Premier Netanyahu verfolgte von Anfang an eine klare Strategie und könnte damit doppelt erfolgreich sein.

Von Mike Lingenfelser,
ARD-Studio Tel Aviv

Als Israels Premier Benjamin Netanyahu am 11. November vergangenen Jahres für eine Ansprache vor die Kamera tritt, weiß er, dass dieser Moment einen Wendepunkt markiert. Von nun an will er kein Getriebener der Pandemie mehr sein, sondern ihr Bezwinger in Israel, wo Netanyahu mitten im Wahlkampf steht.

Er habe gerade ein herzliches Gespräch mit dem Pfizer-Vorstandsvorsitzenden Albert Bourla geführt, verkündet Netanyahu: „Ich bin überzeugt, dass wir einen Vertrag abschließen und viele Impfdosen für Sie, Bürger Israels, bereitstellen werden.“ Erst drei Tage zuvor hatte Pfizer-BioNTech die hohe Wirksamkeit seines Impfstoffes in einer eigenen Studie offiziell bekannt gegeben.

Die Verhandlungen starten früh

Hinter den Kulissen verhandeln israelische Ministeriale bereits mit Pfizer-BioNTech – gute Verbindungen zwischen dem Unternehmen und dem israelischen Gesundheitswesen gibt es schon lange. Es geht um zunächst sieben Millionen Dosen des weltweit begehrten Impfstoffes. Der Pharmakonzern soll ein Ultimatum gestellt haben, um den Kaufvertrag zu besiegeln und den Impfstoff für Israel vorzuhalten.

17 Mal will Netanyahu mit Bourla telefoniert haben, um die Lieferungen abzusichern. Keiner soll Zweifel daran haben, dass das israelische Impfprogramm Netanyahus persönlicher Verdienst sei.

Das Herzstück des Wahlkampfes

Tatsächlich erhält Israel als eines der ersten Länder den Impfstoff von Pfizer-BioNTech. Netanyahu lässt sich davon bereits am 19. Dezember als erster Israeli vor laufender Kamera die erste Dosis verabreichen und sagt: „Ein kleiner Piks für einen Menschen, ein großer Schritt für unser aller Gesundheit.“

Israels Premier macht die Impfkampagne zum Herzstück seines Wahlkampfes: die Rückkehr zur Normalität dank Impfung bis Ende März. In der zweiten Januarwoche haben in Israel schon etwa 20 Prozent der Bevölkerung Impfdosen erhalten, da sind es in Deutschland gerade mal ein Prozent. Heute sind mehr als 40 Prozent der Über-16-Jährigen in Israel geimpft. Das Land kehrt mit dem „Grünen Pass“ für Geimpfte schrittweise wieder zur Normalität zurück.

Pfizer hat eigene Interessen

Netanyahu nennt Albert Bourla schon bald einen „lieben Freund“. Er erzählt, Bourla sei offenbar auch stolz auf seine griechischen und jüdischen Wurzeln und sehr angetan von Netanyahus Engagement beim Ausbau der Beziehungen zwischen Griechenland und Israel.

Dass Netanyahu vergangen November sofort persönlich auf den Pfizer-Chef zugegangen ist und Israel laut Medienberichten auch mehr für den Impfstoff bezahlt als andere Länder, waren Voraussetzungen für das Impftempo und den Erfolg.

Doch noch entscheidender als der Abnahmepreis und eine vermeintliche Männerfreundschaft dürfte Albert Bourlas professionelles Interesse an Israels besonderen Voraussetzungen für ein nationales Impfprogramm gewesen sein: ein digitalisiertes Gesundheitswesen, in dem alle gesetzlich versichert sind und Patientendaten von Krankenkassen, Medizinern und sogar dem Gesundheitsministerium geteilt werden.

Vertrag ist auch ein Datendeal

Ein nahezu perfekter Ort, um die Wirksamkeit eines neuen Impfstoffs unter „Real Life“-Bedingungen weiter zu erforschen. Oder, wie es Bourla im Februar bei NBC News sagte: „Israel wird gerade zum Labor für die Welt. Sie verwenden nur unseren Wirkstoff und haben bereits einen großen Teil ihrer Bevölkerung damit geimpft.“

Bourla und Bibi, so Netanyahus Spitzname, haben einen Datendeal geschmiedet. Israel stellt Pfizer-BioNTech Impfdaten zur Verfügung. Im Gegenzug sorgt der Pharmakonzern dafür, dass genug Vakzine bereitstehen, um schnellstmöglich eine Herdenimmunität zu erreichen.

Belohnen die Wähler Netanyahus Strategie?

Eigentlich wollte Netanyahu den Pfizer-Chef vergangenen Montag in Israel empfangen: eine Gelegenheit, das aufgestockte Liefervolumen von zehn Millionen Impfdosen öffentlichkeitswirksam zu feiern. Außerdem wollte Netanyahu seine Pläne vorantreiben, eine Forschungs- und Produktionsstätte für Impfstoffe von Pfizer in Israel anzusiedeln. Doch es gab massive Kritik am Zeitpunkt des Bourla-Besuchs – zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Israel. Die Visite könnte als unerlaubte Wahlkampfhilfe wegen der Einbindung des Gesundheitsministeriums gewertet werden, warnte Israels Generalstaatsanwalt Medienberichten zufolge.

Bourla hat seine Israelreise auf April verschoben. Doch auch ohne seine Anwesenheit könnte sich sein Impfstoff auch auf den Ausgang der Wahl auswirken. In welchem Ausmaß, zeigt sich am 23. März. Dann stimmen die Menschen auch darüber ab, ob Netanyahus Impfkampagne die langersehnte Rückkehr zur Normalität gebracht hat.


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