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So sehen die Corona-Pläne des Bundes aus
Stand: 10.04.2021 17:25 Uhr
Die dritte Corona-Welle muss gebrochen werden – darüber herrscht Einigkeit. Aber wie? Der Bund will dafür mehr Macht an sich ziehen und legte nun einen ersten Gesetzesentwurf vor. Dessen Kern: Schärfere und vor allem verbindliche Maßnahmen.
Sie werde nicht 14 Tage zusehen, wie die Infektionszahlen in Deutschland steigen: Das sagte Kanzlerin Angela Merkel in der ARD-Sendung Anne Will – fast auf den Tag genau vor zwei Wochen. Notfalls, so die Kanzlerin damals, werde eben der Bund die Macht an sich ziehen.
Nach dem denkwürdigen Auftritt passierte erst einmal – nichts. Die Kanzlerin hatte sich Bedenkzeit ausgebeten, an Ostern stand das Land ohnehin still, der „Brücken-Lockdown“ von CDU-Chef Armin Laschet wurde schnell kassiert – und die Länder stritten – wieder einmal – über Öffnungsstrategien, Notbremsen und Modellprojekte. Dabei drängt die Zeit: Die Zahl der Neuinfektionen bleibt hoch, Intensivmediziner schlagen beinahe täglich Alarm und warnen in immer drastischeren Worten vor der Überlastung des Gesundheitssystems.
Seit Ende der Woche allerdings wird immer deutlicher, wie das Kanzleramt die Länder – zumindest ein bisschen – entmachten will. Im Kern geht es dabei um Änderungen im Infektionsschutzgesetz, die dem Bund das Handeln ermöglichen, sollte die Corona-Notbremse nicht umgesetzt werden. Die war eigentlich zwischen Bund und Ländern fest vereinbart worden. Nur: Viele Länder, Kreise und Städte hielten sich nicht daran.
Erster Gesetzesentwurf liegt vor
Nun verschickte das Kanzleramt einen Entwurf für Änderungen des Infektionsschutzgesetzes an die Bundestagsfraktionen von Union und SPD. Der Kern des Papiers: Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Corona-Neuninfektionen pro 100.000 Einwohnern greift künftig eine „verbindliche Notbremse“ – und zwar eine, für die der Bund zuständig ist. Die Bundesregierung wäre dann befugt, „zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen.“ Der Bund bekomme dann „dieselben Handlungsmöglichkeiten wie die Länder“. Übersetzt heißt das: Der Bund legt Maßnahmen verbindlich fest – Länder, Kreise und Städte müssen diese ohne Wenn und Aber umsetzen.
Nächtliche Ausgangssperren
Wie diese „verbindlichen Maßnahmen“ aussehen sollen, hat der Bund auch bereits formuliert. Vorgesehen sind unter anderem strikte Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren: Geschäfte – bis auf die des täglichen Bedarfs – müssen schließen. Angehörige eines Haushalts dürfen sich nur noch mit einer weiteren Person treffen. Und: Zwischen 21 Uhr und 5 Uhr soll in den betroffenen Kreisen und kreisfreien Städten eine Ausgangssperre greifen. Draußen aufhalten dürfen sich dann nur Personen, die „begründete Ausnahmen“ geltend machen können – etwa Notfälle oder zwingende berufliche Gründe.
Kitas und Schulen – just haben sich die Kultusminister der Länder einmal mehr dafür ausgesprochen, die Schulen offen zu halten – können bei hohen Inzidenzen geschlossen werden. Präsenzunterricht ist nur dann möglich, wenn alle Schülerinnen und Schüler mindestens zwei Mal pro Woche getestet werden können – allerdings nur bis zu einer Inzidenz von 200. Sollte der Wert darüber klettern, werden Schulen dichtgemacht.
Geschäfte müssen – greift erst einmal die Notbremse des Bundes – ebenso schließen wie Freizeiteinrichtungen und die Gastronomie. Ausnahmen gibt es nur für den Lebensmittelhandel, Apotheken, Drogerien und ähnliches. Urlaubsreisen sind nicht möglich: „Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind untersagt“, heißt es in der Vorlage des Bundes.
Keine Homeoffice-Pflicht
Besonders umstritten ist der Anteil, den die Arbeitswelt an steigenden Coronainfektionen hat. Denkbar wäre, eine Testpflicht in Büros und Betrieben zu erlassen – allerdings bremsen hier Wirtschaft und der zuständige Minister Peter Altmaier. Homeoffice sollen Arbeitgeber ermöglichen – wenn denn „keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. Eine Homeoffice-Pflicht allerdings ist nicht vorgesehen.
Wie lange die vom Bund verhängten Maßnahmen gelten, hängt von der Entwicklung der Inzidenz ab: Liegt sie an drei aufeinanderfolgenden Tagen unter 100, werden die Maßnahmen gelockert und die Länder übernehmen wieder die Zuständigkeit.
Es soll nun schnell gehen
Bleibt – neben der Frage, ob die Maßnahmen ausreichen – zu klären, wie schnell die Änderungen am Infektionsschutzgesetz umgesetzt werden können. Der Bund will das Gesetz so schnell wie möglich durch Bundestag und Bundesrat bringen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zeigte sich im ZDF zuversichtlich, dass das Gesetz zur Not in nur einer Sitzungswoche verabschiedet werden könnte.
Die SPD im Bundestag signalisierte bereits Zustimmung – es sei nun ein „gewisser Rahmen“ nötig, um zwischen den Ländern Einheitlichkeit herzustellen, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Deutschlandfunk. Allerdings: Wenn es wirklich schnell gehen soll, müssten auch Teile der Opposition zustimmen. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki warnte bereits, „ein solches Gesetzesvorhaben, das im Zweifel massive Grundrechtseingriffe zur Folge hat, im Schnellverfahren übers Knie zu brechen“.
„Die Pandemie macht keine Pause“
Und: Nach einer Zustimmung des Bundestages müsste sich auch noch die Länderkammer – der Bundesrat – mit den Gesetz – das ja immerhin die eigene Entmachtung vorsieht – befassen. Allerdings haben bereits mehrere Ministerpräsidentinnen und -präsidenten ihre Zustimmung zu einheitlichen Lösungen signalisiert.
Zuletzt erklärten Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte, sie seien für einheitliche Regelungen, die zügig umgesetzt würden. Denn: „Die dritte Welle der Pandemie macht keine Pause“, so Woidke.