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Ende der Impfpriorisierung: Der Bund hofft, die Ärzte sorgen sich
Stand: 05.06.2021 21:10 Uhr
Ab Montag fällt die Impfpriorisierung in Deutschland weitgehend weg. Die Bundesregierung erhofft sich eine Beschleunigung der Impfkampagne. Ärzte hingegen befürchten einen „Startschuss zu einem Windhundrennen“.
Über 12 und unter 60 – wer bislang keine Chance auf eine Corona-Schutzimpfung hatte, bekommt sie ab Montag. Die Bundesregierung will das Impftempo weiter beschleunigen. Deshalb fällt jetzt die Priorisierung weg. Sie sollte in den ersten Monaten der Impfkampagne dafür sorgen, dass zunächst besonders gefährdete Menschen oder Berufsgruppen mit erhöhtem Risiko gegen eine Covid-19-Erkrankung geschützt werden. Denn zu Beginn des Jahres war der Impfstoff sehr knapp.
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Eva Ellermann
ARD-Hauptstadtstudio
Grundsätzlich kann sich jetzt jeder Impfwillige um einen Termin bemühen, egal ob im Impfzentrum oder bei einem niedergelassenen Arzt. Geimpft wird dann zusätzlich bei rund 6000 Betriebsärzten und 2000 Privatärzten. Aber auch die Zahl der Impfwilligen ist gewachsen. Ab Montag dürfen sich auch 12- bis 15-Jährige mit dem BioNTech-Impfstoff impfen lassen. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat diesen Impfstoff auch für diese Altersgruppe freigegeben. Allerdings zeichnet sich keine allgemeine Empfehlung der Ständigen Impfkommission für die Impfung von 12 bis 15-Jährigen ab.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert, dass noch nicht alle Menschen aus den bisherigen drei Priorisierungsgruppen ihre erste Impfung bekommen haben. Für ihren Vorsitzenden Eugen Brych ist die Aufhebung der Impfreihenfolge der „Startschuss zu einem Windhundrennen“ um die begehrte Spritze. Einige Bundesländer wollen deshalb in den Impfzentren Menschen aus den drei Priorisierungsgruppen weiter bevorzugt impfen.
Der Impfstoff bleibt knapp
Etliche Bundesländer und auch viele niedergelassene Ärzte klagen, dass der Impfstoff nicht reicht. Der Druck auf die Praxen sei schon jetzt enorm. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, bezweifelt, dass die Aufhebung der Priorisierung etwas bringt, wenn die Praxen nicht mehr Impfstoff bekommen. Ulrich Weigeldt vom Deutschen Hausärzteverband kritisiert, dass die versprochenen Impfstofflieferungen nicht verlässlich seien. Die Hausärzte müssten neben weiteren Erstimpfungen immer mehr Zweit- und Auffrischimpfungen einplanen. Laut Bundesgesundheitsministerium sollen die Arztpraxen keinen Impfstoff für die Zweitimpfungen zurückhalten, sondern jeweils nach Bedarf bestellen. Mehrere Bundesländer vergeben bis Mitte Juni keine Termine für Erstimpfungen mehr in ihren Impfzentren.
Wegfall von Impfpriorisierung ohne ausreichend Impfstoff
Jennifer Lange, NDR, tagesschau 20:00 Uhr, 5.6.2021
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist zuversichtlich, dass trotz aktueller Engpässe 90 Prozent der Impfwilligen bis Mitte Juli zumindest einen Termin für die erste Impfung bekommen können. Auch die 12- bis 15-Jährigen sollen bis Ende des Sommers ein Angebot erhalten. Spahn erwartet allein vom Hauptlieferanten BioNTech/Pfizer für Juni, Juli und August rund 50 Millionen Impfdosen. Konkrete Lieferzusagen über die laufende Kalenderwoche (KW 23) hinaus hat das Bundesgesundheitsministerium bislang nur von BioNTech/Pfizer und Moderna. Die Hersteller AstraZeneca und Johnson & Johnson legen sich nur kurzfristig fest.
Zurzeit mehr Zweit- als Erstimpfungen
Nach den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) ist inzwischen mehr als jeder Fünfte in Deutschland vollständig gegen Corona geimpft. Mehr als 53 Millionen Dosen wurden in den ersten fünf Monaten der Impfkampagne gespritzt. Mehr als 37 Millionen Menschen haben eine erste Impfung erhalten. Derzeit gibt es mehr Zweitimpfungen als Erstimpfungen.
„Wir haben nur die Wahl zwischen Impfschutz oder Infektion“, sagt RKI-Chef Lothar Wieler. Das Ziel müsse deshalb sein, möglichst viele Menschen gegen Covid-19 zu impfen. Mit der Aufhebung der Priorisierung tritt die Impfkampagne in eine neue Phase. „Den Wettlauf zwischen Durchseuchung und Durchimpfung (der Bevölkerung) muss das Impfen gewinnen“, so Wieler.
